Choreographie von Lina do Carmo für ein Tanzensemble
Musik von Henry Torgue
Videographie: Inga Kamps
Tanzensemble: Christinan Breuer, Angela Carrasco, Fabiola Ganzalez, Carlos Mujica, Morgan Nardi, Tania Ottava, Rebekka Schaefer, Erik Tepal
Auch im 21. Jahrhundert ist der Tanz eine der vitalsten Ausdrucksformen der Weltkultur. Über kulturelle und sprachliche Grenzen hinweg tanzt der Mensch - sei es beim Rave in einer europäischen Metropole oder beim Ritual brasilianischer Indianer. In ihrer Produktion Aruanãzug untersucht die brasilianische Choreographin Lina do Carmo zusammen mit ihrem Ensemble dieses Nebeneinander von Archaik und Moderne. Als Brasilianerin, die seit langem außerhalb ihres Landes lebt und arbeitet, steht Lina do Carmo zwischen zwei kulturellen Identitäten: auf der einen Seite die turbulente Welt des zeitgenössischen europäischen Tanzes, auf der anderen die archaische Welt der Rituale der überlebenden Indianer ihrer Heimat. Diese zwei Pole prägen auch Aruanãzug. Der »Aruanã-Tanz« , das wichtigste Ritual der Karajá-Indianer aus Zentral-Brasilien, wurde von der brasilianischen Musikwissenschaflerin Suely Brigido in ihrer Arbeit »Bilder des Ursprungs« dokumentiert. Er erzählt die Schöpfungsgeschichte des Kosmos als Botschaft übernatürlicher, unter Wasser lebender Wesen. Dargestellt von maskierten Tänzern des Karajá-Volkes, materialisieren sich diese »Aruanã« während des Rituals. Lina do Carmos Choreographie konfrontiert dieses archaische Ritual mit den Alltagsritualen der »zivilisierten« Welt. Denn bei ihrem Besuch der Karajá-Indianer erlebte sie selbst, wie dort Aruanã-Tanz und Transistorradio, Kollektiv und Computer nebeneinander bestehen. Durch diese Begegnung mit der Gleichzeitigkeit von Mythos und Moderne wurde sie zu den Bildern inspiriert, mittels derer sie in Aruanãzug nach der Identität in unserer fragmentierenden Gesellschaft fragt. Sie hofft, mit dieser Choreographie etwas von der Bedeutung des Mythos ihrem hiesigen Publikum zu vermitteln. Einen zweiten thematischen Aspekt umschreibt das Wort »Zug« : das Wandern als ursprüngliches Charakteristikum der Menschheit. Früher wanderten Völker, heute Individuen. Lina do Carmo läßt ihre Tänzer eintauchen in den ununterbrochenen Fluss einer Bewegung, die sie mit steigender Geschwindig-keit immer tiefer in das Unbewusste der Zeit zieht. Migration und Mythos werden eins im Strom der Bilder. »Flucht und Suche finden sich in jeder Version der Schöpfungsgeschichte, ihre Dualität ist der Anfang aller Kunst. Das poetische Mysterium bewegt sich ständig in unseren träumenden Seelen«, sagt Lina do Carmo. Im Jahr 2000 feiert Brasilien sein 500-jähriges Bestehen. Lina do Carmo versteht ihr Projekt als Hommage an die Einwohner Brasiliens, die schon weit länger als 500 Jahre dort leben. Aruanãzug: woher und wohin? Es ist die fröhliche Utopie einer Choreographin, die Welt in einem Tanzabend zu umspannen.
Die Musik für ARUANÃZUG komponierte Henry Torgue. Seit 1979 hat der Franzose die Soundtracks für über 20 Produktionen des Choreographen Jean-Claude Galotta komponiert. Außerdem arbeitete er u.a. mit den Carolyn Carlson, Kitsou Dubois und Philippe Genty. ARUANÃZUG ist die erste Zusammenarbeit zwischen Henry Torgue und Lina do Carmo.
2002 entstand die Neuinszenierung von »Aruañazug« mit der Cia ALAYA Dança am Teatro Nacional, Brasília, Brasilien. Siehe: http://idanca.net/lang/pt-br/2010/05/18/alaya-comemora-20-anos-recriando-trajetoria
Produktion: Compagnie Lina do Carmo • Coproduktion: Tanzhaus NRW, Düsseldorf • Die Werkstatt e. V., Wuppertal • in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Tanz Festival »Continental Shift« (Lüttich - Aachen - Maastricht) im Jahre 2000
Gefördert von:
- Ministerium für Kultur des Landes NRW / Bezirksregierung
- Stiftung Kunst und Kultur des Landes Nordrhein-Westfalen
- Kulturamt der Stadt Düsseldorf
- Kulturamt der Stadt Köln
- Fonds Darstellende Künste e.V. Essen
- Epson Deutschland GmbH
Dank an die Akademie Brasil-Europa für Kultur und Wissenschaft, Köln für die wissenschaftliche Unterstützung
Die Presse:
»Mythen und Moderne... Lina do Carmo kontrastiert nicht, sondern deutet zur eigens komponierten sphärisch-elektronischen Musik von Henry Torgue den ‘Aruanã-Tanz’ nur an, lässt dieses Ritual über die Schöpfung des Kosmos als eine Botschaft der übernatürlichen Wesen ‘Aruanã’ nur gelegentlich durchblitzen. Etwa wenn Pirouetten als Beschreibung von Raum in der offenen Natur verstanden werden, oder wenn die Tänzer mit Sprüngen auf das Publikum zukommen, als wollten sie sich anpreisen.«
(Ballett Tanz International)
»‘Alles fließt’ - die griechische Heraklit-Formel bestimmt durch Licht-Design, laufende und stehende Bilder die Wasserwelt im ersten Teil. Wenn sich die acht Tänzer und Tänzerinnen in Badekleidung zu Menschen materialisieren, fällt der Schuh-Berg aus dem Deckengestänge zu Boden. Wie die Barfußwesen damit spielen, was sie mit den Fremdkörpern anstellen, das ist eine der witzigsten Szenen im Stück.«
(Rheinische Post)
»Entstanden ist eine sehr ehrliche Arbeit, in die jeder der acht Tänzer seine persönlichen kulturellen Empfindungen einfließen lässt.«
(Prinz, Düsseldorf)